EU Rente: Voraussetzungen, Vorteile & Nachteile

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Arbeitnehmer in Deutschland sind nur eine Krankheit oder einen Unfall weit vom sozialen Abstieg entfernt. Ist die Arbeitsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt, steht dem Betroffenen eventuell eine Erwerbsminderungsrente zu. Doch die früher als EU Rente bekannte Leistung ist alles andere als unkompliziert.

Was ist die EU Rente genau?

Früher unterschied man zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit. War ein Arbeitnehmer gesundheitlich derart eingeschränkt, dass er seinen ursprünglich erlernten Beruf nicht mehr ausüben konnte, bestand die Möglichkeit, die Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente zu beantragen, sofern die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Zum 1. Januar 2001 wurde das alte System umgestellt und sowohl Erwerbs- als auch Berufsunfähigkeitsrente in die Erwerbsminderungsrente überführt. Der Begriff EU Rente hat sich jedoch im Sprachgebrauch weithin etabliert und wird daher häufig als Synonym für alle Leistungen verwendet, die sich auf Erwerbsgeminderte beziehen.

Wer vor Ende 2000 wegen einer Behinderung oder Krankheit seinen erlernten Beruf nur noch zu maximal 50 Prozent ausüben konnte, bekam die Berufsunfähigkeitsrente; die EU-Rente war hingegen für Versicherte, die gar keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen konnten. Mit dem Wegfall der alten Regelung gibt es nur noch den Begriff der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung.Mit der Neuregelung fiel außerdem der bisherige Berufsschutz weg.

Für die Zahlung der Rente war zuvor nur maßgeblich, ob der Betroffene weiterhin in seinem ursprünglich erlernten Ausbildungsberuf arbeiten konnte. Durch den Berufsschutz konnten Betroffene allenfalls auf Tätigkeiten verwiesen werden, die dem ursprünglich erlernten Beruf von den Fähigkeiten und den sozialen Anforderungen her entsprachen. So war etwa ein Dachdecker, der wegen einer Rückenerkrankung diesen Beruf nicht mehr ausüben konnte, vor 2001 ein klarer Fall für die BU- oder Erwerbsunfähigkeitsrente. Seit 2001 kann der Rentenversicherungsträger jedoch auf andere zumutbare Berufe verweisen. Kann besagter Dachdecker also etwa als Kundenberater im Baumarkt arbeiten, hat er keinen Anspruch auf Rente. Die Erwerbsminderungsrenten werden in zwei Stufen ausgezahlt:

  • Die volle Erwerbsminderungsrente (vormals Berufsunfähigkeitsrente) wird Betroffenen gezahlt, die weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können.
  • Die halbe Erwerbsminderungsrente wird Betroffenen gezahlt, die eine Arbeitsfähigkeit zwischen mindestens drei und maximal sechs Stunden am Tag aufweisen.
  • Bei Arbeitsfähigkeit von mehr als sechs Stunden besteht kein Leistungsanspruch.
Ausgenommen von der neuen Regelung sind Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden. (#01)

Ausgenommen von der neuen Regelung sind Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden. (#01)

Somit entspricht die neue Regelung nicht 1:1 der alten BU- und EU Rente, denn sie erzeugt höhere Hürden bei der Antragstellung. Ausgenommen von der neuen Regelung sind Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden, denn sie werden nach wie vor nach dem alten Recht behandelt. Für sie gilt weiterhin der erwähnte Berufsschutz. Doch selbst wenn ein Versicherter nach altem Recht Rente wegen Berufsunfähigkeit erhält, entspricht sie nur der Höhe einer teilweisen Erwerbsminderungsrente, die in der Regel um rund 25 Prozent niedriger ausfällt als die alte Berufsunfähigkeitsrente.

Tipp: Bestandsrentner, die vor dem 1. Januar 2001 eine BU- oder EU-Rente nach altem Recht bezogen haben, bekommen weiterhin die gleiche Leistung, solange sich die Voraussetzungen für den Rentenbezug nicht ändern. Allerdings wurden diese Renten dem Namen nach 2018 auch in Erwerbsminderungsrenten geändert, so dass die alten Begriffe BU und EU-Rente letztlich völlig aus dem offiziellen Sprachgebrauch verschwinden werden.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen für die EU Rente

Nicht jeder hat automatisch Anspruch auf eine Frührente. Sie wird nur gezahlt, wenn folgende Rahmenbedingungen erfüllt sind:

  • In den letzten 5 Jahren vor Antragsstellung hat der Versicherte mindestens 36 Monate lang Pflichtbeiträge entrichtet
  • Der Antragsteller muss mindestens 5 Jahre versichert gewesen sein

Den rechtliche Rahmen für die Rente wegen Erwerbsminderung bildet das Sozialgesetzbuch (SGB) mit seinen diesbezüglichen Bestimmungen. Eventuell werden Zeiträume von Krankengeld- oder Arbeitslosengeldbezug als Pflichtbeitragszeiten anerkannt. Ebenso können Kindererziehungszeiten (bis zu drei Jahre) sowie Zivildienst und Wehrdienst anerkannt werden. In dem Fall werden die Zeiten auf dem Rentenkonto entsprechend gutgeschrieben. Benachteiligt sind vor allem Berufsanfänger, die die Wartezeit und Mindestversicherungszeiten nicht erfüllen können. Sie bekommen grundsätzlich keine EU Rente. Dann hilft nur eine hoffentlich rechtzeitig abgeschlossene private Berufsunfähigkeitsversicherung, da man ansonsten zum Sozialfall wird.

Eine Ausnahme sind Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten: Sofern der Betroffene zum Zeitpunkt des Unfalls bzw. des Eintritts der Berufskrankheit versicherungspflichtig war, müssen keine Wartezeiten erfüllt werden. Es gilt der Grundsatz Reha vor Rente, weswegen die Prüfung der Anträge nicht selten Jahre dauern kann. Da die EU Rente selten unbefristet vergeben wird, sind regelmäßige Überprüfungen üblich. Der Versicherte muss zudem die Verlängerung des Rentenbezugs rechtzeitig beantragen, das passiert nicht automatisch.

Eine Ausnahme sind Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten. (#02)

Eine Ausnahme sind Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten. (#02)

Wie hoch ist die EU Rente durchschnittlich?

Die Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente wird ähnlich wie die Altersrente berechnet. Maßgebliche Größen sind die Zahl der Versicherungsjahre sowie das individuelle Einkommen (und somit die Höhe der gezahlten Beiträge). Das Verfahren zur Berechnung der EU Rente ist sehr kompliziert und kann daher an dieser Stelle nur vereinfacht wiedergegeben werden. Hier einige Eckdaten zum Thema:

  • rund 1,8 Millionen Versicherte erhalten in Deutschland eine Erwerbsminderungs- bzw. EU Rente
  • ca. 20 Prozent aller neuen Rentenbezieher sind erwerbsgemindert
  • rund 40 Prozent aller Anträge werden abgelehnt
  • die Höhe der durchschnittlichen EU Rente beträgt ca. 760 Euro (2016)
  • die meisten EU Rentner erhalten weniger als ein Drittel ihres letzten Bruttogehalts

Seit 2001 fällt die Höhe der Erwerbsminderungsrenten zudem niedriger aus als die der alten EU Rente, weil ein Abschlag von 0,3 Prozentpunkten (maximal jedoch 10,8 Prozent) berechnet wird. Der Abschlag wird damit gerechtfertigt, dass die EU-Rentner Leistungen schon deutlich vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch nehmen. Diese Altersgrenze wird bis 2024 weiter angehoben, von aktuell 63 auf dann 65 Jahre. Der Abschlag wird für jeden Monat des Rentenbezugs berechnet, der mindestens 36 Monate vor der Regelaltersgrenze liegt. Da fast jeder Betroffene vorzeitig die EU Rente beantragt, treffen diese Abschläge so gut wie alle neuen Antragsteller seit 2001.

Hinzuverdienstgrenzen bei der EU Rente

Änderungen zwischen alter EU Rente und neuer EM Rente gibt es auch bezüglich der Hinzuverdienstgrenzen. Generell darf zunächst jeder Frührentner etwas hinzuverdienen. In der Vergangenheit waren dies Pauschalbeträge von zuletzt 450 Euro pro Monat. Zweimal im Jahr durfte der doppelte Betrag hinzuverdient werden. Bei der Art des Hinzuverdienstes ist außerdem wichtig, dass Bezieher einer EU Rente auf keinen Fall irgendeine selbstständige Tätigkeit ausüben dürfen. Bezieher der neuen Erwerbsminderungsrenten dürfen zumindest ein Nebengewerbe anmelden.

Da viele Tätigkeiten (z. B. Heimarbeit) nicht in normalen Arbeitsverhältnissen, sondern nur über Gewerbeanmeldungen möglich sind, haben EU Rentner nach altem Recht hier eine echte Benachteiligung hinzunehmen. Das hat sich auch mit der Überführung des Begriffs der EU Rente in die EM Rente nicht geändert. Geändert hat sich allerdings die Begrenzung nach monatlichem Hinzuverdienst. Jetzt kann der Versicherte einen Gesamtbetrag pro Kalenderjahr hinzuverdienen, welcher der Summe der bisherigen Hinzuverdienstgrenzen entspricht. Es ist also jetzt durchaus möglich, in einem Monat 2.000 Euro zu verdienen, sofern man die jährliche Gesamthöhe nicht überschreitet. Es gelten 2018 folgende Hinzuverdienstgrenzen:

  • bei voller EM Rente: 6.300 Euro pro Jahr (feststehend)
  • bei teilweiser EM Rente: mindestens 14.798,70 Euro pro Jahr
Tipp: Bei teilweiser EM Rente wird die Hinzuverdienstgrenze für jeden individuell berechnet. Der Rentenversicherungsträger gibt Auskunft über die genaue Höhe des erlauben Zusatzeinkommens. (#03)

Tipp: Bei teilweiser EM Rente wird die Hinzuverdienstgrenze für jeden individuell berechnet. Der Rentenversicherungsträger gibt Auskunft über die genaue Höhe des erlauben Zusatzeinkommens. (#03)

Berechnung der EU Rente

Wie bereits erwähnt, kann man die individuell sehr aufwändige Rentenberechnung nicht pauschal zusammenfassen. Daher geben wir Ihnen eine vereinfachte Darstellung der wichtigsten Begriffe für die Berechnung im Überblick.

  • Die Höhe der EU Rente wird seit 2014 so berechnet, als habe der Versicherte bis zum 62. Lebensjahr Pflichtbeiträge gezahlt, basierend auf dem durchschnittlichen Einkommen der bisherigen Versicherungsjahre. Dies nennt man auch Zurechnungszeit
  • Die Zurechnungszeit hilft insbesondere jungen Versicherten, dass die EU Rente nicht allzu niedrig ausfällt.
  • Der Zugangsfaktor bewirkt einen niedrigeren Rentenbezug bei vorzeitiger Inanspruchnahme. Der Zugangsfaktor wird nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn festgelegt. So beträgt der Faktor bei Altersrenten, die pünktlich zum regulären Rentenbeginn mit der Regelaltersgrenze erstmals gezahlt werden, genau 1,0. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme sinkt der Zugangsfaktor mit jedem vorzeitigen Kalendermonat um 0,003, was einen Abschlag von 3,6 Prozent pro Jahr ausmacht. Bei Rentenbeginn nach Eintritt der Regelaltersgrenze steigt der Zugangsfaktor entsprechend.
  • Entgeltpunkte werden pro Beitragsjahr vergeben, also bei 30 Jahren Beitragszeit erhält der Versicherte 30 Entgeltpunkte. In der EU Rente wird die Zurechnungszeit als Ausgleich für fehlende Entgeltpunkte benötigt.
  • Die Höhe der einzelnen Entgeltpunkte äußert sich im Rentenwert. Der Rentenwert wird in Euro ausgedrückt und wird benötigt, um die Entgeltpunkte in die individuelle Rentenhöhe umzurechnen.

Fazit: Die EU Rente ist nur eine unzureichende Absicherung bei Erwerbsunfähigkeit

Schon immer war die EU Rente nur ein Behelf, um die schlimmsten Auswirkungen von Behinderungen, Unfallfolgen oder chronischen Erkrankungen auf das Arbeitsleben abzuwenden. Das Niveau der EU Renten ist seit der Umstellung auf volle und teilweise Erwerbsminderungsrenten für Neubezieher gesunken. Da zudem nur Versicherte ein Recht auf die sogenannte Frührente haben, die entsprechende Wartezeiten erfüllen, ist die Absicherung für Berufsanfänger völlig unzureichend. Die private Vorsorge durch Berufsunfähigkeitsversicherungen ist also schon zu Beginn der Berufslaufbahn sehr wichtig.


Bildnachweis: ©Shutterstock-Titelbild: Miriam Doerr Martin Frommherz, #01: Shchus, #02: Gino Santa Maria

#03: Screenshot von „Deutsche Rentenversicherung

1 Kommentar

  1. Wenn ich das Lese wie hoch die EU Rente ausfallen könnte ist es nach 45Jahen auf der Baustelle eine große Sauerei. Ich weiß nicht warum sich die Leute das gefallen lassen. Und dann wollen die das Rentenalter noch höher setzen. Wenn ich im Bundestag sitze und nix tue können sie es gerne tun. Aber nicht als Dachdecker oder andere Berufe auf dem Bau

  2. Genau so ist es wolfgang. Ich werde in der Politik gehen, dann brauch ich keine Rente mehr……….

  3. Recht hast du, so etwas würde es in Frankreich nicht geben. Nur die bekloppten Deutschen lassen sich alles gefallen.

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